Das Museum des 20. Jahrhunderts und seine städtebauliche Einbindung

Leitidee

Das Museum des 20. Jahrhunderts soll – wenn selbst auch klar erkennbar ein Produkt des 21. Jahrhunderts – die Scharoun’sche Idee des Kulturforums als Stadtlandschaft, die den Ort städtebaulich prägt und im Zusammenspiel mit den herausragenden Bauten weltweit einzigartig macht, fortführen und vollenden.

Die Aufnahme der ungefähren Lage und Ausrichtung des von Scharoun geplanten Gästehauses ist dabei Anknüpfungspunkt, um unter Bezugnahme auf den heute vorhandenen städtebaulichen Kontext auch in Richtung Potsdamer Platz, die Scharoun’schen Bilder von „Berg“ und „Tal“ – teilweise auch unter deren Umkehrung – neu zu definieren. Gleichzeitig erlaubt eine solche Ausrichtung und Baumassenstaffelung die Aufrechterhaltung der Sichtbeziehungen zwischen den Bauten Stülers, Mies van der Rohes und Scharouns, denen eine besonders hohe Priorität eingeräumt wird.

Tragen und Lasten, ein zentrales Thema der Architektur, wird in der Mies’schen Nationalgalerie auf besondere und herausragende Weise behandelt. Das Museum des 20. Jahrhunderts bezieht sich in einer Komposition von drei Kubaturen ebenfalls auf dieses Thema. Die Mittelachse dieser Kubenkomposition, die gleichzeitig die westliche Begrenzung ihres hohen Riegelbaukörpers definiert, stellt einen direkten Bezug zum Mittelpunkt der Haupthalle der Neuen Nationalgalerie her, der gleichzeitig Mittelpunkt eines Kreises ist, der die Raumkante eines kleinen Platz zwischen Nationalgalerie und Museum des 20. Jahrhunderts definiert. Vom Zentrum der Halle der Nationalgalerie ergibt sich ein freies Sichtfeld entlang des hohen Riegels über die beiden niedrigen Kubaturen hinweg gen Norden, das Philharmonie und Kammermusiksaal wie auch einen Ausschnitt des Tiergartens fokussiert.

Städtebauliche Einbindung, inklusive Außenräume

Der Riegelbaukörper des Museums hat die gleiche Höhe wie der exponierte Rücken der Staatsbibliothek. Die beiden Baukörper bilden gemeinsam eine torartige Situation, die der Potsdamer Straße Führung in Richtung Potsdamer Platz verleiht. Die aus dem orthogonalen Raster von Neuer Nationalgalerie und St.-Matthäus-Kirche herausgedrehte Position unterstützt diese leitende Funktion.

Die Potsdamer Straße wird wieder bogenförmig im ehemaligen und schon von Hans Scharoun 1964 in seinem Beitrag zum Wettbewerb Staatsbibliothek dargestellten Verlauf geführt. Der hohe Museumsbaukörper erlaubt eine Freihaltung der Sichtachse zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie sowie Kammermusiksaal. Zwischen diesen befindet sich nur der quadratische eingeschossige Eingangsbaukörper des Museums (43,1m x 43,1m) und ein 61m x 61m großer flacher Sockel, dessen Niveau genau dem Sockelniveau der Neuen Nationalgalerie entspricht. Der Sockel kann über eine breite Treppenanlage von der Potsdamer Straße aus erreicht werden, deren Laufrichtung auf den Turm der St.-Matthäus-Kirche ausgerichtet ist, der durch die schon beschriebene Herausdrehung des Riegelbaukörpers freigestellt ist und fokussiert werden kann.
Der Sockel ist teilweise überdacht und dient als Skulpturenterrasse der Präsentation von Kunstwerken. Direkt angegliedert ist ihm die Caféebene des Zwischengeschosses. Die mit dieser über eine Treppe verbundene Caféebene des Erdgeschosses dagegen bietet direkten Zugang zum Matthäikirchplatz, in dessen Vorbereich sich unter der großen Platane der Außenbereich des Cafés befindet.

Raumkonzept (Qualität der Innenräume, Erschließung, Belichtung)

Der Ausstellungsbereich Kunst vor 1945 ist im Untergeschoss direkt am Übergang zur Neuen Nationalgalerie angeordnet und setzt die dort gegebene Raumfolge fort. Ihm schließen sich die 6m hohen Räume der Kunst nach 1945 an, ebenso die Räume der Kunstbibliothek und des Kupferstichkabinetts, der Sammlung Marx und der Wechselausstellung, die allesamt durch einen gemeinsamen Foyerbereich im Untergeschoss erschlossen werden, der sich mit dem Foyer im Erdgeschoss über einen Luftraum verbindet.

Dem Foyer im Erdgeschoss sind in nördlicher Richtung, gen Philharmonie und Potsdamer Platz ausgerichtet, der Haupteingang des Museums und seitlich gen Westen, zum Matthäikirchplatz orientiert, Café und Restaurant zugeordnet. Gegenüber des Cafés befindet sich, an der Potsdamer Straße gelegen und zur Staatsbibliothek ausgerichtet, der Museumsshop. Auch Funktionen des Besucherzentrums sind hier integrierbar. Im südwestlichen Bereich des 9m hohen Eingangskubus ist eine Zwischenebene eingehängt, die etwa die Hälfte des Restaurantbereichs direkt an die Skulpturenterrasse anbindet, aber auch unabhängig davon dem Museumsbesucher den Zugang dorthin gewährt. Von dieser eingehängten Zwischenebene ist ebenfalls über eine ins Foyer eingehängte Treppenanlage die darüber liegende Vermittlungsebene mit großen Veranstaltungsraum sowie Werkraum und Medienraum, etc. erschlossen. Eine breite umlaufende Promenade stellt dort eine foyerartige Verbindung dieser Räume her und gewährt Blicke in den Stadtraum. Zudem kann vom Vorbereich des Veranstaltungsraums, dort wo die Treppe aus dem Foyer das 1. OG erreicht, auch die Dachfläche des Eingangskubus betreten werden, die einen hervorragenden Ausblick auf die umliegenden Architekturikonen bietet.

Im 2. und 3. OG befinden sich die Ausstellungsräume der Kunst nach 1945 mit 5m lichter Raumhöhe, die sich mäanderförmig um die beiden 11,5m hohen Räume für überhohe Installationen und „DAS KAPITAL RAUM 1970-1977“ legen. Im 2. OG ist zudem der Audioraum in den Museumsrundgang integriert. Im 4. OG befindet sich die Depotebene, die als Schaulager ebenfalls in den Ausstellungsrundgang mit eingebunden werden kann. Den oberen Abschluss bildet die Verwaltungs- und Betriebsebene, die im Schnitt 3m hohe Räume im Lichten, der Restaurierung und einem Teil des Depot aber 5m lichte Raumhöhe bietet. Zudem besteht hier auch die Möglichkeit eines Oberlichts.

Allen Geschossen des Riegelbaukörper gemein ist eine nördlich gelegene Lobbyzone mit Blick auf Tiergarten, Philharmonie und Potsdamer Platz. Dort erreichen drei Aufzüge die jeweiligen Obergeschosse, die sie mit dem Foyer, aber auch untereinander verbinden.

Landschaftsarchitektonische Einbindung

Dimension und Positionierung der drei Museumsbaukörper erlauben die Erhaltung nicht nur der großen Platane westlich, sondern auch des kleinen Robinienwäldchens südlich des Museums. Beide werden als im wahrsten Sinne des Wortes „gewachsene“ und integrale Bestandteile der Stadtlandschaft „Kulturforum“ begriffen. Ruhige parkartige Rasenflächen gliedern ansonsten die Landschaft, deren Zuschnitt die freie, rhythmische Ordnung des Kulturforums insgesamt wie auch die spannungsvolle Komposition der bewusst nicht an einem orthogonalen Raster ausgerichteten solitären Bauten unterstreicht. Im Zentrum des westlichen Kulturforums prägen eher harte Beläge den Raum. Eine Akzentuierung erfahren sie durch das grüne Carrée des Matthäikirchplatzes als Verweis auf den historischen Stadtgrundriss sowie das Naturdenkmal der Platane.

Standort
Kulturforum, Berlin-Mitte

Entwurfsverfasser/Architekt
Roland Poppensieker Architekt BDA
in Arbeitsgemeinschaft mit
Klaus Block Architekt BDA

Ideenwettbewerb