Bet- und Lehrhaus Petriplatz Berlin

Arche

Ein großer Backsteinkörper erhebt sich über den freigelegten Fundamenten der ehemaligen Petrikirchen am Ursprungsort Berlins. Eine Fuge trennt respektvoll Altes und Neues, – und verbindet es zugleich. Die Fuge ist begehbar. Ihr horizontaler Raum geht im Inneren des Körpers über in einen vertikalen Raum, der, von Licht erfüllt, nach oben steigt. Dieser Raum verbindet den Himmel über Berlin mit dem Ursprung der Stadt. Das Lehr- und Bethaus ist körperhafte Fassung dieses Raums, er ist sein Zentrum. Einem Gefäß gleich sammelt und versammelt dieses Haus eine materielle und geistige Essenz Berlins. Es „beinhaltet“ einerseits die Anfänge der Stadtentwicklung, die von diesem von Beginn an religiös besetzten Ort ausging, andererseits beherbergt und „birgt“ es, und dies auch im Sinne von Geborgenheit, die drei monotheistischen Religionen, die Berlin geistig und spirituell prägten und prägen.

Der monolithische Charakter des Lehr- und Bethauses unterstreicht die besondere Bedeutung dieses religiösen Zentrums. Eine steinerne „Arche“, ein Kasten (lat.: arca, hebr.: Tevah) aus Backstein scheint im Stadtraum festgemacht zu haben und erinnert an den Urvater Noach, auch Noah oder im Arabischen nuh (71. Sure), der mit Talmud, Neuem Testament und Koran in den Schriften aller drei monotheistischen Religionen verankert ist.

Das raumhaltige Gefäß wird von Süden über die Fuge betreten, die Alt- und Neubau der Petrikirche trennt und durch grosszügige Öffnung des Bodenbereiches nach unten von allen Seiten einen guten Blick auf die freigelegten historischen Fundamente ermöglicht. Eine breite Treppe, schon innerhalb der gläsernen Einhausung des Öffnungsbereiches gelegen, führt in einer spiralförmiger Bewegung hinauf auf das neue Platzniveau zu Empfang, Café und Bibliothek, die an den Wänden zur Lateinschule und zur Gertraudenstraße untergebracht ist. Eine große horizontale Fensterfläche öffnet den zweigeschossigen Raum mit Ausblick zur Gertraudenstraße und ermöglicht gleichzeitig Einblick und Kontaktaufnahme.

Der sich perspektivisch verjüngende Raum geht in den bis zu seiner Deckenunterkante 21,50m hohen Hauptbereich des Begegnungsraums über, der bereits Teil des anfangs beschriebenen aufstrebenden Zentralraums ist. Über eine breite Galerie sind von hier aus die Sakralräume der verschiedenen Religionen zu erreichen, über zwei schmale Treppen zudem die Emporen der Sakralräume wie auch die Verwaltung. Die Emporen der Sakralräume ermöglichen den weiblichen Mitgliedern der jüdischen und muslimischen Gemeinde im Bedarfsfall die Nutzung eines von den männlichen Mitgliedern separierten Bereiches, der christlichen Gemeinde dient sie als Orgelempore. Auf dieser Ebene sind auch die Reinigungsräume der muslimischen Frauen sowie die Mikwe untergebracht.

Vom Begegnungsraum aus hat der Besucher durch die über dem Hauptschiff und symmetrisch über der Vierung ausgestanzte Deckenöffnung direkten Blick auf die archäologischen Funde der ehemaligen Petrikirche. Zudem besteht eine Blickbeziehung zu den unter den Kolonnaden entlang kommenden Fußgängern und umgekehrt. Auf diese Weise wird der Stadtraum zusätzlich mit dem Begegnungsraum des Lehr- und Bethauses verknüpft.

Die gesamte lichte Decke des Zentralraums ist an ihrer Unterkante durch eine Verjüngung der Unterzüge quasi auf Null geführt und erscheint entmaterialisiert. Durch unterschiedliche Ausrichtung der Öffnungen werden zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten ein jeweils anderes Spiel von Helligkeit sowie Lichtstreifen und -reflexe den Raum erleuchten.

Die Sakralräume sind durch Streiflicht auf den zum hohen Zentralkörper gehörigen Backsteinwänden belichtet, das durch eine um den hohen Zentralkörper laufende Lichtfuge eintritt. Unterhalb der Empore erhalten die Räume durch die in diesem Bereich perforierte Backsteinwand ein zusätzliches Licht von anderer Qualität. Diese zur Brüderstrasse gelegenen drei Fensteröffnungen bieten die Möglichkeit, durch Verwendung von farbigem Glas (verschiedene Grünnuancen) eine jeweils eigene und besondere Lichtstimmung zu erzeugen, die sowohl von außen als auch von innen wahrnehmbar ist.

Während am Haupteingang eine große Hebeplattform die behindertengerechte Erschließung vom EG zum 1.OG sicherstellt, erfolgt die Erschließung des 2. OG mittels eines Aufzugs an der nördlichen Gebäudeecke. Hier ist zudem ein Fluchttreppenhaus untergebracht, das der Verwaltung auch als vom Haupteingang unabhängiger Eingang dienen kann. Eine einläufige Treppe entlang der Längsseite des hohen Zentralkörpers („Himmelsleiter“) erschließt die Dachfläche mit ihren Oberlichtern.

Die Materialität der Außenflächen des Lehr- und Bethauses ist durch roten Backstein in verschiedenen Farbnuancen definiert, in Fortsetzung der Außenflächen taucht er am Fuß des Zentralkörpers auch innerhalb des Gebäudes auf. Der hohe Zentralraum ist innen dagegen durch weiße Oberflächen bestimmt, ergänzt von einem leicht spiegelnden anthrazitfarbenen Fußboden sowie Holzeinbauten im zurückgesetzten eingeschossigen Bereich unter der Verwaltung.

Standort
Petriplatz, Berlin-Mitte

Entwurfsverfasser/Architekt
Roland Poppensieker Architekt BDA
in Arbeitsgemeinschaft mit
Klaus Block Architekt BDA

Nicht offener Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren