Zur Erinnerung an die Opfer des Terroranschlags am 19. Dezember 2016

Ort des Gedenkens am Breitscheidplatz

Ein großer, massiver und monolithischer Körper aus Naturstein wird als Ausdruck des Gedenkens am Ort des Terroranschlags gesetzt. Er entzieht sich deutlich wahrnehmbar der markanten Struktur des dortigen orthogonalen Bezugssystems und verkörpert als „Störung“ auf diese Art das „verstörende“ Ereignis.

Der Ort des Geschehens war die niedere Ebene des nordwestlichen Breitscheidplatzes und nicht das höher gelegene Podium der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, das von dieser umgeben ist. Die niedere Ebene zeichnet sich durch die helle Materialität eines „Bianco Sardo“, eines sardischen Granits aus.

Das Material des Bodens, auf dem sich der tragische Anschlag ereignete, wird – räumlich erfahrbar – als eine Art „extrudierter Körperort“ im Stadtraum positioniert. Der fein geschliffene, matte Körper versammelt Menschen um sich herum, zu einem „friedlichen Miteinander“. Er regt gleichzeitig dazu an, ihn von allen Seiten zu betrachten. Dabei vermittelt er unterschiedliche Informationen zu den Geschehnissen am 19. Dezember 2016.

Das Datum des Anschlags tragen nicht nur die seitlichen Flächen, sondern auch die Körperoberseite. Sie ist vom Podium aus zu sehen. Während die tief sandgestrahlte Schrift auf den Seitenflächen nicht nur durch Schattenwirkung, sondern auch durch farbliche Fassung akzentuiert wird, bleiben die abgesenkten Schriftflächen der Oberseite unbehandelt.

Neben einer dezenten Profilierung durch Schattenwirkung werden hier auch Ablagerungen aus der Luft sowie Feuchtigkeit und der Faktor Zeit eine Lesbarkeit der Schrift entwickeln, die je nach Witterung und Tageszeit variiert. In die – durch den Block – fast an einen umgedrehten Stempel erinnernde angehobene Oberfläche des Breitscheidplatzes schreibt sich auf diese Weise das ebenfalls blockartig geschnittene Datum ein.

Als eine Art Signum bereits auf der der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche zugewandten Seitenfläche zu finden, ist das Datum an der Blockoberseite durch Ausrichtung und Größe nicht nur vom Podium aus, sondern auch von den umgebenden Gebäuden und unter Umständen sogar im Satellitenbild zu erkennen.

Der Breitscheidplatz als großstädtischer Ort in allen seinen Facetten erfordert als Ausdruck des Gedenkens eine „robuste“ Form. Zudem sollte ein gewisser Abstand der Schriften vom Boden gewährleisten, dass insbesondere die Namen der Opfer nicht den Belastungen des Bodenniveaus ausgesetzt sind.

Der monolithische Granitblock mit den Maßen 2,22 m x 2,22 m x 0,74 m ermöglicht dies. Während seine quadratische Ansichtsfläche sich vor dem Oktogon Egon Eiermanns einerseits gestalterisch einfügt, setzt er sich durch Material, Struktur und Farbton sowie leichte Drehung dennoch erkennbar ab.

Seine Maße erhält er in Ableitung bzw. Vervielfachung der Bodenplattenformate gleicher Materialität (Bianco Sardo, 74 cm x 37 cm). Er ist auch unter diesem Aspekt eindeutig dem Ort des tragischen Geschehens zugeordnet.

Der Verzicht auf Gestaltungsmaßnahmen im Bereich des denkmalgeschützten Podiums gewährleistet dessen Unversehrtheit. Dennoch führt die Setzung des rechteckigen Granitblocks – wenn auch nicht ohne es zu kontrapunktieren – im Kleinen das Konzept der „Körper auf dem Podium“ in all ihren verschiedenen Ausformungen fort.

Durch die Kontinuität der Oberflächenmaterialität lässt sich – wenn man so will – der gesamte niedere Bereich des Breitscheidplatzes als „Gedenkort“ begreifen, wenn sich sein greifbares Zentrum auch in Form des körperhaften Monolithen formuliert.

Bianco Sardo ist säure-, laugen- und frostbeständig. Eine Hydrophobierung oder ein – matter und unsichtbarer – Anti-Graffiti-Schutz kann bzw. sollte vorgenommen werden. Eine Reinigung ist relativ einfach und unaufwendig, sie unterliegt den normalen Zyklen.

Der Wettbewerbsabgabe ist ein Materialmuster des „Bianco Sardo“ (Plattengröße 30 cm x 30 cm) beigefügt, das die gewünschte matte Oberfläche des Granitsteins (mittels feinen Schleifens) darstellt.

Schriftart und unterschiedliche Größe der Buchstaben sind in diesem Muster (M 1:1) exakt nachzuvollziehen. Die vorgesehene Inschrift verwendet mit Ausnahme des „Signums“, das eigens entwickelt wurde, eine Futura Condensed. Der erste Teil der Inschrift auf der zur Budapester Straße gewandten quadratischen Seite hat dabei mit 340 Punkt die doppelte Größe der Buchstaben der Namen und Herkunftsländer (170 Punkt).

Eine farbliche Fassung der Schrift in den Seitenflächen kann unterschiedlich, beispielsweise seidenmatt opak oder auch matt gebürstet – mit leicht transparenter Wirkung – vorgenommen werden. Die verschiedenen Schriftflächen lassen sich so gegebenenfalls untereinander noch differenzieren, falls dies gewünscht sein sollte.

Standort
Breitscheidplatz, Berlin-Charlottenburg

Entwurfsverfasser/Architekt
Roland Poppensieker Architekt BDA

Nicht offener Gestaltungswettbewerb mit sieben eingeladenen Teilnehmern