Archäologisches Besucherzentrum Petriplatz
Besucherzentrum
Im ersten Kontakt schon hat der Besucher Gelegenheit, sich dem authentischen Ort mit seinen historischen Befunden anzunähern. Nachdem er den Arkadenraum an der Gertraudenstraße betreten hat, kann er durch eine zweigeschossige verglaste Front hinab in die Fundamente der Lateinschule sehen, über der sich im straßenseitigen Bereich ein 2,5geschossiger Luftraum erhebt. Die annähernd stützenfreie Glasfront hat weniger massiven Anteil als die Arkadenpfeilersequenz zur Straßenseite, sodass sich der Passant von seiner Raumwahrnehmung bereits innerhalb der ehemaligen Kubatur der historischen Gebäude zu befinden scheint.
Von diesem vor Wetter geschützten Arkadenraum erfolgt auch der Zugang in das Besucherzentrum. Durch den Windfang gelangt der Besucher nach einer Linkswendung direkt zum Info-Counter sowie zum Aufzug und einer großzügigen Treppenanlage. Von hier hat der Gast nicht nur die Möglichkeit, mit einem Blick einen orientierenden Gesamtüberblick über fast alle wichtigen Elemente des Besucherzentrums zu erhalten, sondern auch die Gelegenheit über eine halbe Treppe hinab zu den alten Fundamenten zu steigen. Nach einem Rundgang gelangt er zu diesem Punkt zurück. Die im Tiefparterre gelegene Steganlage bietet auch Zugang zu den auf –1,50 m gelegenen Ausstellungsbereichen im Freien. Zudem ist auf dieser Ebene das Café mit einem freien Blick über die Fundamentanlagen angeordnet. Der pädagogische Dienst ist im 1. OG über dem Eingang mit Überblick über Foyer und die Fundamentflächen angesiedelt.
Die „promenade architecturale“ durch das Besucherzentrum am Petriplatz ist zugleich eine „Archäologische Promenade.“ Ein nur an einem Punkt die Richtung wechselnder gerader Treppenlauf erschließt vom Eingangsgeschoss sämtliche der Öffentlichkeit zugänglichen Ebenen. Die Treppensequenz, deren untere Läufe bereits von der Gertraudenstraße aus zu erkennen sind, führt vorbei an den großzügig verglasten Fensterflächen eines zentralen dreieckigen Atriums und streift dabei Stockwerk für Stockwerk – und sozusagen „en passant“ – die Stationen, an denen der Gast die Bearbeitung archäologischer Befunde und deren Erforschung erleben kann. Sie gewährt dem Besucher interessante Einblicke: im 1. OG in die Ausstellung der Anlieferung mit ihrem langen Tisch sowie in die Keramik-Werkstatt, im 2. OG in die große Restaurierungswerkstatt und die ihr zugeordneten Nebenräume und im 3. OG in das Schaulager als auch in die Magazine, die ebenfalls im 4. OG durch einen großzügigen Vorraum zu betrachten sind. Bis hinauf ins 5. OG führt der kaskadenartige Treppenlauf, immer dem Lichtkörper des Oberlichts unter der dortigen Decke entgegen. Vom Wendepodest im 2. OG ist bereits ein Blick entlang der Scharrenstraße in Richtung Petriplatz möglich, im 5. OG jedoch öffnet sich fast die gesamte nordöstliche Front gen Petriplatz. Der Vortragssaal und ein Teil der hier gelegenen Ausstellungsfläche gewähren einen Ausblick auf den Jahrhunderte alten Standort der verschiedenen Petrikirchen, und damit auf den „Geburtsort Berlins.“
Im Stadtraum nimmt das Besucherzentrum eine wichtige Funktion als Frontgebäude zum Petriplatz ein. Das Arkadenmotiv zur Gertraudenstraße wird an diesem Umlenkpunkt nicht nur um die Ecke, sondern gleichzeitig gen Himmel projiziert, als oberer Abschluss des Gebäudes fasst es hier in Form einer Pergola die beiden oberen Staffelgeschosse zusammen und verleiht dem Besucherzentrum zusätzliche Präsenz am Platz. Dieser luftig gefasste Raum dient einerseits als attraktiver Außenbereich bei Veranstaltungen im direkt angrenzenden Saal, andererseits hat der Besucher von hier einen hervorragenden Blick auf die unter ihm liegende Petriplatzfläche mit den mittels Metallbändern gekennzeichneten Umrissen der historischen Petrikirchen, die in ihren unterschiedlichen Ausrichtungen so bestens nachvollziehbar sind.
Im unteren Bereich der Platzfassade akzentuiert ein scheinbar ins Gebäude eingelagerter Stahlkörper die Front, fast so, als hätte man bei einer Grabung in den Bodenschichten einen außergewöhnlichen Fund entdeckt. Es handelt sich um das Eisenmagazin, das auch im Inneren des Besucherzentrums durch seine besondere Materialität in Erscheinung tritt. Ansonsten bestimmt eine horizontale Fassadengliederung mit Kastenfenstern diese Front des Gebäudes, dessen Materialität Sichtbeton auf den bereits bei den Römern bekannten Baustoff „opus caementicium,“ auch Gussmauerwerk genannt, verweist.
Der rückwärtige Blockteil zur Kleinen Gertraudenstraße ist an der Ecke zur Gertraudenstraße ein Büro- und Geschäftshaus, Richtung Scharrenstraße schließen sich drei Stadthäuser mit jeweils einem Kontor im Erdgeschoss (Büro-, Laden- oder sonstige Nutzung) an, darüber befinden sich straßenseitig zwei und hinter einem eingeschnittenen eigenen Hof drei Geschosse als zugehöriger Wohnteil (1.OG Wohnen, Essen und Küche mit dazwischen liegender Terrasse, 2. und 3. OG Schlaf- und Individualräume). Die der Straße zugewandten Räume erhalten dabei von zwei Seiten Licht.
Petriplatz
Der Petriplatz birgt die ältesten bis heute bekannten baulichen Reste der Stadt Berlin. Die oberste Schicht des Platzes orientiert sich funktional an den Höhen des umgebenden Stadtraumes. An der Oberfläche lässt sich kaum noch erahnen, wie es an diesen geschichtsträchtigen Ort ausgesehen haben mag.
Als Sehhilfen werden in die aktuelle Zeitschicht die Umrisse der Petrikirchen der unterschiedlichen Epochen mit Metallbändern nachgezeichnet. Das Material Baubronze lässt den sakralen Charakter des Ortes erahnen. Das helle mediterrane und warm leuchtende Kalksteinmosaikpflaster der Platzfläche nimmt Bezug auf die Herkunft der im zukünftigen Bethaus vertretenen Religionen.
Die auf den ersten Blick abstakt wirkende Liniengraphik vermittelt bei gezielter Betrachtung eine Vorstellung von der Lage der ehemaligen Kirchen. Mittels piktografischer und textlicher Markierungen lassen sich die einzelnen Linien differenzieren. Von den oberen Etagen des archäologischen Zentrums aus kann direkt Bezug auf die Lage der Kirchenstandorte genommen werden.
Grabungsebene
Eine ca. 5m breite Gasse vermittelt zwischen Ausgrabungszentrum auf den Grundmauern der ehemaligen Lateinschule und der neuen Platzebene. Durch die Reduktion der Grabungseben auf eine archäologische Gasse, erhält der Petriplatz eine ausgewogene Geometrie und ausreichende Dimension später den geplanten Sakralbau aufzunehmen und als Entree für das Besucherzentrum zu fungieren.
Die auf mittelalterlichem Niveau (-1,5) liegende Ebene, wird an der südlichen Platzkante durch Stahlwände gefasst. Diese inszenieren einen präzisen Schnitt durch den historischen Boden entlang der vorhandenen Fundamente der Petrikirche. Fundament- und Mauerreste werden im Anschnitt in Aussparungen der Stahlwände sichtbar.
Eine großzügige Treppe vermittelt zwischen der unteren Ebene des Archäologischen Besucherzentrums und der neuen Platzfläche. Sie ist einladende Geste für Besucher die aus der Brüderstraße z.B. vom Humboldtforum und der Museumsinsel kommen. Die Treppe stellt aber auch eine Beziehung zum zukünftigen Bet- und Lehrhaus her. Eine weitere Treppe erschließt die Gasse vom angrenzenden Straßenraum der Gertraudenstraße aus. Über das Besucherzentrum ist die Gasse behindertengerecht erreichbar.
Archäologische Befunde
Die Bronzebänder lassen auch die „Archäologischen- Fenster und Vitrinen“ den jeweiligen Kirchen zuordnen. Sie sind Leitsystem für die ca. 2,20 hohen Schaukästen, die einen Einblick in die darunter liegende Zeitschichten und auf die dort liegenden archäologischen Funde ermöglichen.
Durch die konische Form wird der Einblick und Lichteinfall optimiert. Die Vitrinen und die darunter liegende Räume stülpen sich wie Glocken über die archäologischen Funde. Für den jeweiligen Standort als Fertigteil hergestellt, liegen sie nur auf und lassen sich bei Bedarf auch wieder entfernen, ohne die Funde zu beschädigen. Das aufgeklappte Metall, ebenfalls aus Bronze, zieht sich als Einfassung in dem unterirdischen Raum weiter und dient oberirdisch als Informationsträger in Abstimmung mit dem Ausstellungskonzept des Bucherzentrums. Eine Revisionsklappe ermöglicht den Zutritt. Von unten beleuchtet werden sie besonders nachts als skulpturale Elemente im Stadtraum wahrgenommen.
Das Ossarium wird in derselben Typologie, allerdings aufgrund seiner Größe in entsprechenden Dimensionen hergestellt. Das Ossarium und die Funde im Norden des Petriplatz ergeben zusammen einen Raum, der die geforderten 70 qm umfasst und bis zu den Mauern und Fundamenten des Chors reicht.
Zwei lang gezogene Bänke aus monolithischen Holzbalken fassen den Platz an den Rändern. Im Zusammenhang mit den drei Bestandsplatanen stellen sie schattige Aufenthaltsbereiche, mit Blick auf die freie Platzmitte (später Lehr- und Bethaus), dar.
Die Gestaltung des Platzes ist bewusst schlicht gehalten. Die Reduktion des Freiraumentwurfs auf Bodengrafik und skulpturale Vitrinen geschieht im Hinblick auf eine harmonische Einheit beim Bau des Bet- und Lehrhauses. Das Pflaster wird im Bereich des Bethauses entfernt und kann an anderer Stelle wiederverwendet werden.
Standort
Petriplatz, Berlin-Mitte
Entwurfsverfasser/Architekt
Roland Poppensieker Architekt BDA
in Arbeitsgemeinschaft mit
Klaus Block Architekt BDA
Entwurfsverfasser/Landschaftsarchitekt
Häfner / Jiménez – Winfried Häfner
Nicht offener Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren